Kunst und Musik im öffentlichen Raum Chur
29. Mai bis 30. Oktober 2016

Barbara Signer & Michael Bodenmann, «Neumarkt», 2015/2016, Modifizierte Leuchtreklame, 155 x 400 x 270 cm, Bild © Ralph Feiner

Barbara Signer & Michael Bodenmann

«Neumarkt», 2015/2016

Modifizierte Leuchtreklame, 155 x 400 x 270 cm
Standort: Poststrasse/Lukmaniergasse

Eine Verschachtelung von transluzenten Quadern schwebt wie ein suprematistisch anmutendes Objekt zwischen den Häusern der Lukmaniergasse. Tatsächlich handelt es sich um einen skulptural ausgebildeten Werbeträger, welcher vom Künstlerpaar Barbara Signer und Michael Bodenmann seinem Kontext entnommen und in den öffentlichen Raum von Chur eingebracht wird. Losgelöst von der ursprünglichen Funktion, tritt die ästhetische Qualität des Objekts in den Vordergrund. Es erinnert formal an die grossen Traditionen des 20. Jahrhunderts – den russischen Konstruktivismus, die niederländische De-Stijl-Bewegung oder die Zürcher Konkreten – und spiegelt zunächst eine nüchterne, transzendenzlose Sicht auf die Welt. Die aufeinander gestapelten, ungleichgrossen Quader sind jedoch mehr als die Komposition ihrer Teile. Sie sind auch das Archiv einer Geschichte. Die Leuchtreklame wurde in den 1970er Jahren von Rudi Zwissler, einem konzeptuell denkenden Schweizer Designer, für das St. Galler Einkaufszentrum Neumarkt entwickelt und sollte schliesslich der letzten Sanierung zum Opfer fallen. Durch Signer und Bodenmann wurde das Objekt aber vor der endgültigen Zerstörung gerettet, zum Kunstwerk erklärt und 2015 als «Art en plein air» in den Wald von Môtiers versetzt. Nach einer weiteren Station in der Kunst Halle St. Gallen, im Rahmen der Ausstellung «Heimspiel», wechselt die Skulptur nun vom musealen zurück in den städtischen Kontext. In Chur thematisiert sie die Konstruktion der Realität durch Erinnerung und Projektion im räumlichen und architektonischen Zusammenhang. Gleichzeitig tritt sie aber auch in einen Dialog mit dem Umraum. Stahlseile, die sich von den Quadern des Objekts zu den Hausfassaden spannen, versinnbildlichen dies. Die avantgardistische Form des Kunstwerks kontrastiert das unauffällige Erscheinungsbild der Stadthäuser und lässt durch ihre Präsenz die städtische Nische sichtbar werden. In der Arbeit von Barbara Signer und Michael Bodenmann wird die Diskrepanz zwischen der vordergründig inhaltsleeren Art des Werkes und der Fülle des latent-inhaltlichen Bezugs besonders deutlich.

Kurzbio

Barbara Signer (*1982) beschäftigt sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit dem Unfassbaren, mit Dingen und Phänomenen, die sich zwischen konstruierter Realität und Imagination bewegen. Grenzbereiche und Beziehungen in ihrer Reziprozität versucht die Künstlerin nicht nur thematisch auszuloten. Ihre Arbeit, die sich in einer Vielzahl an Medien ausdrückt, bewegt sich oft auch an einer Schnittstelle zur Skulptur. Dies zeigt sich in einer Körperhaftigkeit, die nur flüchtig in Erscheinung treten kann oder durch die Präsenz von Emotionen stellvertretend angedeutet wird. Barbara Signer nimmt die immaterielle Seite der Wirklichkeit mit ihren sich überlagernden Bedeutungen gefangen und lässt dabei subtil die Sehnsüchte der Menschheit erkennbar werden.

Michael Bodenmann (*1978) bedient sich für seine künstlerischen Arbeiten Strategien des aktiven Suchens ebenso wie des Abwartens. Er wendet diese besonders auf Reisen an, indem er sich durch unbekannte Gegenden bewegt und beobachtet. Ausgehend von so gemachten Erfahrungen entstehen Installationen, angeeignete und transformierte Objekte, Fotografien oder Filme. Visuell bestechend, handeln sie oft vom gebauten Raum oder gesellschaftlich stark konnotierten Symbolen. Dabei interessiert ihn, wie wahrgenommene Stimmungen oder Emotionen in verschiedene Medien übersetzt und für andere lesbar gemacht werden können.

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